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BGH: Strafmaß bei tödlichen Raser-Unfällen

Karlsruhe/ Köln. In einem heftig kritisierten Urteil hatte das Landgericht (LG) Köln im April 2016 zwei Teilnehmer eines Autorennens, bei dem eine unbeteiligte 19-jährige Passantin getötet wurde, lediglich wegen fahrlässiger Tötung verurteilt zu 2 Jahren bzw. 1 Jahr und 9 Monaten Haft und die Strafen zur Bewährung ausgesetzt. Die Staatsanwalt hatte den Schuldspruch (fahrlässige Tötung) nicht angegriffen, aber die ausgesprochenen Strafen mit der Revision als zu milde angegriffen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob am 6. Juli das Kölner Urteil auf, weil die Strafaussetzung zur Bewährung für die Bevölkerung nicht verständlich sei. Darüber muss nun eine andere Kammer des LG Köln neu entscheiden, wobei aber eine Abänderung des Spruchspruchs im Sinne einer vorsätzlichen Tötung nicht möglich ist.

Der BGH veröffentlichte dazu eine Pressemitteilung Nr. 107/2017:

Bundesgerichtshof hebt Urteil im 2. Kölner "Raser-Fall" im Ausspruch über die Bewährung auf

Urteil vom 6. Juli 2017 – 4 StR 415/16

Der u.a. für Verkehrsstrafsachen zuständige 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft das Urteil des Landgerichts Köln im zweiten Kölner "Raser-Verfahren" teilweise aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung an das Landgericht zurückverwiesen. Die Revisionen der Angeklagten hat der Senat im Beschlusswege als offensichtlich unbegründet verworfen.

Das Landgericht hatte die beiden Angeklagten jeweils wegen fahrlässiger Tötung zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren bzw. einem Jahr und neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hatte es für die Neuerteilung der den Angeklagten entzogenen Fahrerlaubnisse Sperrfristen von drei Jahren und sechs Monaten angeordnet.

Hintergrund des Verfahrens:

Die damals 21 und 22 Jahre alten Angeklagten waren am 14. April 2015 gegen 18:45 Uhr mit zwei leistungsstarken Fahrzeugen (Motorleistungen 171 und 233 PS) auf dem Weg zu den Rheinterrassen in Köln-Deutz. Etwa 1200 bis 1500 Meter vor Erreichen ihres Ziels entschlossen sich die nicht alkoholisierten Angeklagten spontan zu einem Kräftemessen, bei dem sie sich gegenseitig ihre überlegene Fahrkunst und die Leistungen ihrer Fahrzeuge demonstrieren wollten. Sie fuhren eng hintereinander mit stark überhöhter Geschwindigkeit jeweils mit der Absicht, die Rheinterrassen vor dem anderen zu erreichen. Beim Durchfahren einer langgezogenen Linkskurve mit 95 km/h anstelle der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h verlor der vorausfahrende Angeklagte, der vom Mitangeklagten bedrängt wurde, die Kontrolle über sein Fahrzeug. Sein Wagen kam von der Fahrbahn ab und erfasste eine auf dem angrenzenden Radweg fahrende 19-jährige Studentin, die wenig später ihren durch die Kollision erlittenen schweren Verletzungen erlag.

Die Staatsanwaltschaft beanstandete mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Rechtsmitteln nur die aus ihrer Sicht zu niedrigen Freiheitsstrafen und die vom Landgericht zugebilligte Aussetzung der Strafen zur Bewährung. Vom Rechtsmittelangriff nicht erfasst und vom Bundesgerichtshof deshalb nicht zu überprüfen waren der Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung und die angeordneten Führerscheinmaßnahmen.

Die Bemessung der Freiheitsstrafen, die sich an dem für die fahrlässige Tötung vorgesehenen Strafrahmen von Geldstrafe bis zu höchstens fünf Jahren Freiheitsstrafe zu orientieren hatte, war aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Hingegen konnte die Aussetzung der Freiheitsstrafen zur Bewährung keinen Bestand haben. Das Landgericht bescheinigte beiden Angeklagten zwar rechtsfehlerfrei eine günstige Legalprognose (§ 56 Abs. 1 StGB). Es ließ aber bei der Prüfung, ob darüber hinaus auch besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB die Aussetzung der ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafen rechtfertigen, unberücksichtigt, dass die Angeklagten zwar den Tod ihres Opfers fahrlässig herbeiführten, bei dem mit tödlichem Ausgang endenden Rennen aber gleich mehrere erhebliche Verkehrsordnungswidrigkeiten – u.a. den Verstoß gegen das bislang in der Straßenverkehrsordnung geregelte Rennverbot – vorsätzlich begingen und die Gefahrenlage durch ihre aggressive Fahrweise bewusst herbeiführten. Dieser Umstand prägte die Tat und durfte bei der Bewährungsentscheidung nicht außer Acht bleiben. Angesichts der vom Landgericht festgestellten Häufung von Verkehrsunfällen mit tödlichem Ausgang aufgrund überhöhter Geschwindigkeit in Köln und an anderen Orten fehlte es bei der Bewährungsentscheidung zudem an einer ausreichenden Erörterung der Frage, wie sich unter dem Gesichtspunkt der Verteidigung der Rechtsordnung (§ 56 Abs. 3 StGB) eine Strafaussetzung zur Bewährung auf das allgemeine Rechtsempfinden und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts auswirken würde.

Vorinstanz:

Landgericht Köln – Urteil vom 14. April 2016 – 117 KLs 19/15

Auch andere Strafrichter sehen die tödlichen Unfälle wegen überhöhter Geschwindigkeit innerorts zunehmend kritisch. Aufsehen erregte bei ein Urteil des LG Berlin, das sich von der bisher üblichen Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung ganz verabschiedete, und die Täter wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilte. Gegen dieses Urteil wurde Revision zum BGH eingelegt.

(Urteil des LG Berlin vom 27.2.2017 – 535 Ks 8/16, n.rkr.). Bericht dazu:

https://www.berlin.de/gerichte/presse/pressemitteilungen-der-ordentlichen-gerichtsbarkeit/2017/pressemitteilung.565340.php

Einen Mittelweg beschritt ebenfalls am 6. Juli das Amtsgericht (AG) Saarlouis, das einen anderen Autofahrer wegen eines tödlichen Unfalls zwar wegen fahrlässiger Tötung verurteilte, aber immerhin zu 3 Jahren Haft ohne Bewährung (AG Saarlouis vom 6.7.2016). Bericht dazu:

http://www.sr.de/sr/home/nachrichten/panorama/Saarwellingen_Raser_Prozess100.html