Karlsruhe. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozess grundsätzlich zugelassen.
Der Kläger des Verfahrens nimmt den Beklagten und seine Haftpflichtversicherung nach einem Verkehrsunfall auf restlichen Schadensersatz in Anspruch. Die Fahrzeuge waren innerorts beim Linksabbiegen auf zwei nebeneinander verlaufenden Linksabbiegespuren seitlich kollidiert. Die Fahrt vor der Kollision und die Kollision wurden von einer Dashcam aufgezeichnet, die im Fahrzeug des Klägers angebracht war.
Das Amtsgericht hatte dem Kläger nur die Hälfte seines Gesamtschadens zugesprochen. Der Kläger habe für seine Behauptung, der Beklagte sei beim Abbiegen mit seinem Fahrzeug auf die andere Fahrspur geraten, keinen Beweis erbracht. Der Sachverständige komme in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass aus technischer Sicht die Schilderungen beider Parteien zum Unfallhergang prinzipiell möglich seien. Eine Verwertung der von ihm mit einer Dashcam gefertigten Bildaufnahmen sei unzulässig. Die Berufung des Klägers hatte das Landgericht zurückgewiesen; die Aufzeichnung verstoße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen und unterliege daher einem Beweisverwertungsverbot.
Auf die Revision des Klägers hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Die vorgelegte Videoaufzeichnung ist zwar nach den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen unzulässig. Sie verstößt gegen § 4 BDSG, da sie ohne Einwilligung der Betroffenen erfolgt ist und nicht auf § 6b Abs. 1 BDSG oder § 28 Abs. 1 BDSG gestützt werden kann. Jedenfalls eine permanente anlasslose Aufzeichnung auf und entlang der Fahrstrecke des Klägers ist als Beweissicherung nicht erforderlich, denn es ist technisch möglich, eine kurze, anlassbezogene Aufzeichnung unmittelbar des Unfallgeschehens zu gestalten, beispielsweise durch ein fortlaufendes Überschreiben der Aufzeichnung in kurzen Abständen und Auslösen der dauerhaften Speicherung erst bei Kollision oder starker Verzögerung des Fahrzeuges. Dennoch ist die Videoaufzeichnung als Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozess verwertbar. Die Rechtwidrigkeit einer Beweiserhebung führt im Zivilprozess nicht ohne Weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot. Die Abwägung zwischen dem Interesse des Beweisführers an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, seinem Anspruch auf rechtliches Gehör einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners und ggf. seinem Recht am eigenen Bild andererseits führt zu einem Überwiegen der Interessen des Klägers.
Quelle: Urteil des BGH vom 15. Mai 2018 – VI ZR 233/17 – PM des Gerichts Nr. 88/2018
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2018&Sort=3&nr=83549&anz=89&pos=1&Blank=1
Dies besagt, dass Dashcam-Videos im zivilen Schadensersatzprozess vom Gericht ausgewertet werden müssen, wenn die Verschuldensfrage sonst nicht geklärt werden kann, ohne Rücksicht darauf, ob das Video ansonsten illegal ist wegen Verstoß gegen Vorschriften des Datenschutzes (BDSG). Das heißt freilich nicht, dass ein illegales Dashcam-Video des Unfallopfers auch im Strafverfahren gegen den Unfallverursacher von der Staatsanwaltschaft genutzt werden kann; durchaus kann die Polizei eine illegal eingesetzte Dashcam des Unfallverursachers beschlagnahmen und verwerten (ebenso wie Motorelektronik oder Mobiltelefon). Zu guter Letzt: Wird die Dashcam unter Verstoß gegen BDSG-Regeln im Dauerbetrieb genutzt, kann das Unfallopfer das Video zwar im Unfallhaftpflichtprozess nutzen, wird sich dafür auch auch ein Bußgeldverfahren nach BDSG einfangen. Das ist dann abzuwägen.