Berlin/ Leipzig. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat zwei Verfahren zum Gesamtpersonalrat (BPR) beim Bundesnachrichtendienst zu einer Art verfahrenstechnischem Rundumschlag genutzt, um die gesetzlichen Grundlagen des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) für alle Personalräte des Bundes zu präzisieren, und damit auch die Spielräume der Gremien für "rheinische Lösungen" erheblich zu verkleinern. Für alle Beteiligten gilt, dass ihren Rechten jeweils auch klare Pflichten gegenüber stehen, sich an die geltenden Gesetze zu halten.
1. Den Beschluss 5 P 3.19 und ebenso 5 P 5.19 stuft das BVerwG als so wichtig ein, dass beide als „Leitsatzentscheidung“ in der Amtlichen Sammlung BVerwGE aufgenommen werden.
2. Das BVerwG bestätigt den Hinweis, dass der GPR gesetzlich auch HPR-Funktion und daher Monatsgespräche mit der obersten Dienstbehörde zu führen hat (5 P 3.19, Rn 5). 3. Gesetzesverstöße führen im Personalrat nicht stets zur Unwirksamkeit von Beschlüssen, sondern entsprechend §§ 43, 44 VwVfG nur dann, wenn sie „offenkundig“ sind (3.19, Leitsatz 1). Da das Gericht auf einen „objektiven verständigen Beobachter“ abstellt, ist diese Hürde aber relativ schnell erreicht (Rn 13 ff.).
4. Als Vorsitzender kommen in aller Regel nur Gruppensprecher in Betracht (Leitsatz 2).
5. Die Gruppensprecher können jedenfalls nicht alle durch „Verzicht“ sich verweigern (Rn 23, 26). Keinesfalls kann zum Vorsitzenden gewählt werden, wer nicht Vorstandsmitglied ist (Rn 14). Eine solche Wahl ist offenkundig rechtswidrig und damit nichtig.
6. Ist die Wahl des Vorsitzenden nichtig, ist der Personalrat handlungsunfähig (Leitsatz 3). Daher sind auch alle weiteren Beschlüsse in dieser und weiteren Sitzungen nichtig, bis ein handlungsfähiger Vorstand gewählt ist.
7. Die Wahl eines Mitgliedes des erweiterten Vorstandes (§ 33 BPersVG) ist ebenfalls rechtswidrig. Da die Frage, ob ein § 33-Vorstandsmitglied als Vorsitzender wählbar ist, aber in der Literatur umstritten war, ist der Verstoß bisher nicht „offenkundig“ gewesen. Die angegriffene Wahl war daher nicht nichtig, sondern "nur" rechtswidrig aber wirksam (Rn 27). Da das BVerwG nun die Rechtslage geklärt hat, wären künftige derartige Wahlen durchaus nichtig.
8. Zur Sitzung muss die Tagesordnung rechtzeitig vorher mitgeteilt werden, bei Personalmaßnahmen auch unter namentlicher Mitteilung der einzelnen Maßnahmen (5 P 5.19, Leitsatz 1, Rn 13).
9. Liegt eine hinreichend konkrete Tagesordnung erst zu Sitzungsbeginn vor (Tischvorlage), ist dies nicht rechtzeitig (Rn 16). Wird die Tagesordnung zu spät mitgeteilt, kann ein Mitglied oder Ersatzmitglied dagegen klagen, muss dazu aber diesen Mangel (verspätet) in der Sitzung sofort rügen (Rn 15). Andernfalls ist der Antrag erfolglos (Leitsatz 2).
10. Dies gilt auch für die Ladung von Ersatzmitgliedern. Diese werden nicht erst mit der Ladung Mitglieder, sondern kraft Gesetzes sofort mit Eintritt des Verhinderungsfalls (Rn 20).
11. „Doppelmandatierte“ Mitglieder haben kein Wahlrecht, welche von mehreren kollidierenden Einladungen sie wahrnehmen (Leitsatz 3). Sie haben der Einladung Folge zu leisten, die ihnen zuerst zugeht. Ab dann sind sie für alle später eingehenden Einladungen zu einem anderen Gremium verhindert (Rn 21).
12. Nehmen sie eine Einladung zu einem weiteren Termin an, fehlen sie in der Sitzung, zu der zuerst eingeladen war, unentschuldigt. Dann darf für sie kein Ersatzmitglied geladen werden.
Alles in allem: Viel Arbeit für viele Personalräte im Land. Mit diesen Beschlüssen sind viele Grauzonen des Sitzungsablaufs geklärt worden, künftige Verstöße damit „offenkundig“ mit der Folge, dass anders durchgeführte Sitzungen zu nichtigen Beschlüssen führen. Einige "kleine Freiheiten", die bisher in vielen Personalräten üblich waren, haben keine Gnade bei Gericht gefunden. Es werden etliche bis alle Kommentare zu §§ 31-34 BPersVG umgeschrieben werden müssen.
Quelle: Beschlüsse des BVerwG vom 15.5.2020 – 5 P 3.19 und 5 P 5.19