Leipzig/ Strausberg. Mit Beschluss vom 29.1.2020 – 1 WRB 6.18 hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die Entscheidung des Truppendienstgerichts (TDG) Nord vom 13.12.2017 aufgehoben, das die Wahlanfechtung zweier Antragsteller-Gruppen gegen die Wahl des Vertrauenspersonenausschusses Heer (VPA H) zurückgewiesen hatte (siehe Notiz vom 1.2.2020). Nun liegt die vollständige Entscheidung vor, die in einigen Wochen auf www.bverwg.de eingestellt wird. Sie listet zahlreiche Fehlgriffe des TDG Nord bei der Behandlung der Wahlanfechtung auf. Diese müssen nun in einer weiteren Runde vom TDG korrigiert und nachgearbeitet werden.
1. Bei Wahlanfechtungen gegen VPA nach § 52 SBG gilt die abweichende Besetzung des Gerichts mit 3 ehrenamtlichen Richtern (je 1 Offizier, Unteroffizier und Mannschaftssoldat, die ihrerseits Vertrauenspersonen sein müssen) nicht nur für die Entscheidung über die Wahlanfechtung selbst, sondern auch für den Beschluss des TDG über die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Auch muss der zulassende Beschluss über die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist korrekt belehren. Allerdings ist das BVerwG auch an eine in rechtswidriger Form beschlossene Zulassung der Rechtsbeschwerde gebunden (Rn 17).
2. Eine Wahlanfechtung wird nicht unzulässig, weil ein Antragsteller als Ersatzmitglied gewählt wird und an Sitzungen teilnimmt; Annahme des Amts und Wahlanfechtung schließen sich nicht aus (Rn 18).
3. Ein vom Richter im Beschluss erhobener Vorwurf der Streitlust ist unsachlich, schließt ihn aber nicht wegen Befangenheit aus (Rn 21).
4. Das TDG hat das Grundrecht der Antragsteller auf rechtliches Gehör (aus § 18 Abs. 2 S. 4 WBO, § 23a Abs. 2 WBO, § 86 Abs. 4 S. 3 VwGO) verletzt, indem es im Beschluss Stellungnahmen des Wahlvorstandes und der Dienststelle verwertet hat, ohne den Antragstellern dazu vor der Entscheidung Gelegenheit zur Äußerung zu geben (Rn 24).
5. Es war eine verbotene „Überraschungsentscheidung“, dass das TDG die Rügen zum Wählerverzeichnis nicht nachgeprüft hat mit dem Vorhalt, bei den Antragstellern handele es sich um Streitlust gegenüber anderen Mitgliedern des – hier nicht betroffenen – Gesamtvertrauenspersonenausschusses beim BMVg – GVPA (Rn 31).
6. Das TDG hätte der Rüge nachgehen müssen, dass durch den Verzicht auf die Bildung dezentraler Wahlvorstände die Fehlerhaftigkeit des Wählerverzeichnisses begünstigt wurde (Rn 33).
7. Das TDG hätte anhand der vorliegenden Wahlunterlagen der Rüge nachgehen müssen, dass der Versand von unvollständig adressierten Briefwahlunterlagen zu verspäteten Wahlbriefen geführt hat, die auch für das Wahlergebnis ursächlich waren (Rn 34).
8. Das TDG hätte angesichts der fehlenden Dokumentation in den Wahlakten nachprüfen müssen, ob es einen wirksamen Beschluss des Wahlvorstandes über das Wahlausschreiben überhaupt gegeben hat; dies gilt selbst dann, wenn man wie das TDG Beschlüsse im Umlaufverfahren im Rahmen der SBGWV für zulässig hält (Rn 35).
9. Das TDG hätte dem Beweisantrag nachgehen müssen zur Klärung, warum in über sechzig Einheiten nicht für alle Wählergruppen VP gemeldet waren, ob in AusbUstgKp/ RekrKp überhaupt Wählergruppen nach § 61 SBG existierten, warum Wahlberechtigte aus personalratsfähigen Dienststellen (§ 60 SBG) erfasst wurden und warum keine VP der Lehrgangsteilnehmer an den Ausbildungseinrichtungen erfasst wurden (Rn 38 ff.).