Münster. Die seit dem 1. Juli 2016 im nordrhein-westfälischen Landesbeamtengesetz enthaltene Vorschrift zur Frauenförderung ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Dies hat das Oberverwaltungsgericht am 21. Februar in sechs Musterverfahren entschieden. Beförderungsentscheidungen können nicht auf die Neufassung des § 19 Abs. 6 LBG NRW gestützt werden, weil diese den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Bestenauslese verletzt.
Die Verwaltungsgerichte Düsseldorf, Aachen und Arnsberg hatten ebenso wie das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen den Eilanträgen von im Beförderungsverfahren unterlegenen Männern stattgegeben und dem Land vorläufig untersagt, die ausgewählten Frauen zu befördern. Die dagegen eingelegten sechs Musterbeschwerden des Landes Nordrhein-Westfalen, die Polizeibehörden, das Oberlandesgericht Düsseldorf und die Finanzämter betreffen, hat das Oberverwaltungsgericht sämtlich zurückgewiesen.
Zur Begründung hat der 6. Senat ausgeführt: Zwar sei es zulässig, Frauen bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Verfassungswidrig sei jedoch § 19 Abs. 6 Satz 3 LBG NRW neuer Fassung, wonach von einer im Wesentlichen gleichen Qualifikation bereits auszugehen ist, wenn die aktuelle dienstliche Beurteilung der Frau und des Mannes ein gleichwertiges Gesamturteil aufweist. Ein so reduzierter Qualifikationsvergleich verstoße gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG). Auswahlentscheidungen dürften nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber beträfen. Hierzu gehöre der Aspekt der Frauenförderung nicht.
Der Verfassungsauftrag, für eine Gleichberechtigung von Frauen im Tatsächlichen zu sorgen, könne auch unter Wahrung des Prinzips der Bestenauslese verwirklicht werden. Der Qualifikationsvorsprung vieler Männer sei oftmals das Ergebnis einer unterbrechungslosen Berufstätigkeit. Dieser Unterschied könne kompensiert werden, wenn Befähigungs- und Eignungsmerkmale (z.B. Begabung, Allgemeinwissen, Lebenserfahrung, Persönlichkeit, Charaktereigenschaften) bei der Abfassung von dienstlichen Beurteilungen und damit bei der Bildung des Gesamturteils stärker gewichtet würden. Hierdurch könne zudem erreicht werden, dass besonders die Frauen bevorzugt würden, die tatsächlich Doppelbelastungen in Beruf und Familie ausgesetzt seien. Eine allein an das Geschlecht als solches anknüpfende Frauenförderung vernachlässige diesen Aspekt ohne rechtlichen Grund.
Die Beschlüsse ergingen in den Verfahren: 6 B 1109/16 (I. Instanz: VG Düsseldorf 2 L 2825/16), 6 B 1110/16 (VG Düsseldorf 2 L 2852), 6 B 1378/16 (VG Düsseldorf 13 L 2843/16), 6 B 1102/16 (VG Düsseldorf 2 L 2866/16), 6 B 1152/16 (VG Aachen 1 L 616/16), 6 B 1131/16 (VG Arnsberg 2 L 1159/16)
(PM des Gerichts vom 21. Februar 2017)
Die Landesregierung gibt sich mit diesen rechtskräftigen Entscheidungen nicht zufrieden. Die Minister Steffens und Jäger kündigten namens der Landesregierung an, nun mit einem Prozess vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes die Gültigkeit der streitigen Regelung feststellen lassen zu wollen. In der Zwischenzeit sind sowohl bei der Polizei als auch in den Finanzämtern zahlreiche Beförderungen blockiert, weil die Landesregierung die männlichen Beamten trotz besserer Beurteilungen nicht befördern will, infolge der gerichtlichen Verbote die gewünschten Beförderungen von Beamtinnen mit etwas schlechteren Beurteilungen nicht durchführen darf. Für die betroffenen Beamten geht es in der Regel um faktische Beförderungsverbote von zwei und mehr Jahren trotz Beurteilung mit Spitzennoten. Bei mehreren Beförderungslisten ist es nach einem halben Jahr so, dass die betroffenen Beamtinnen, deren bevorzugte Beförderung vermeintlich durchgesetzt werden soll, selbst längst bereits „unstreitig“ befördert wären, wenn man sich dazu verstehen würde, einige wenige noch vorhandene männliche Kollegen mit besserer Beurteilung gleichzeitig zu befördern. Auf diese Weise bluten finanziell inzwischen auch bereits etliche Beamtinnen für die Gesichtswahrung der Minister.
Das freut den Finanzminister – er spart bei den Gehältern und die Beamtinnen und Beamten müssen bei weniger Gehalt doch ihre Arbeit weiter machen.