Köln/ Koblenz. In einer Entscheidung mit bundesweiter Tragweite (und Vorbildwirkung) stärkte das Truppendienstgericht Süd die Position der Vertrauenspersonen und Personalräte der Soldaten der Bundeswehr bei ihrer Anhörung nach § 28 Soldatenbeteiligungsgesetz (SBG) zu beabsichtigten Disziplinarmaßnahmen gegen Soldaten ihrer Wählerschaft.
Ausgelöst wurde das Verfahren durch einen Mannschaftssoldaten, den die Verkehrspolizei bei Fahren ohne Führerschein erwischte, der darauf entlassen wurde, weil schon zuvor einige Dienstvergehen vorlagen, und der sich dann bei der Ministerin persönlich wegen zahlreicher von ihm empfundener Diskriminierungen infolge seines Migrationshintergrundes beschwerte. Unter anderem hatte er Monate vorher „Riffkontakt“ mit einem Teileinheitsführer gehabt, der einem befehlswidrig struppigen Bart nachgegangen war. Diesem wurde nun zur Last gelegt, er habe jenes Dienstvergehen in unangemessener Form abgestellt. Und da sich die Rechtskundigen der Bundeswehr mit dem Teileinheitsführer an einem Personalratsmitglied abarbeiteten, lag die Zuständigkeit beim vorgesetzten General.
Der verspürte aber auf Vorschlag seiner Juristen keinen Drang, sich mit der Vertrauensperson des Mannes selbst abzugeben, und delegierte die Anhörung auf einen Offizier der Dienststelle. Die Vertrauensperson rügte lückenhafte Akten, und außerdem die beabsichtigte Geldbuße als überzogen. Sie wurde trotzdem verhängt, der Soldat und die Vertrauensperson beschwerten sich. Zunächst erfolglos, doch jetzt kassierte das TDG diese Anhörung als illegal ein. Zugleich stellte es einige Grundsätze auf, die in vielen Dienststellen bisher so nicht beachtet wurden:
1. Eine fehlerhafte Anhörung der Vertrauensperson (VP) kann bis zur Verhängung der Maßnahme in korrekter Form nachgeholt werden. Die Frist für die Beschwerde der VP nach § 17 SBG, § 6 Abs. 1 WBO beginnt daher erst mit deren Kenntnis, dass die Maßnahme dem Soldaten eröffnet wurde, nicht schon mit der fehlerhaften Anhörung selbst.
2. Ausweislich der Amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs hat § 28 Abs. 2 SBG 2016 nichts daran geändert, dass der zuständige Vorgesetzte die Anhörung der VP persönlich durchzuführen hat und nur in Ausnahmefällen im Rahmen der ZDv A-1472/1 Nr. 238 Abs. 5 auf einen beauftragten Offizier delegieren darf, wenn die persönliche Anhörung der VP mit einem unzumutbaren Zeit- und Kostenaufwand verbunden wäre (hier verneint).
3. Die Durchführung der Anhörung durch einen unzulässig beauftragten Offizier verletzt die Rechte der VP.
4. Auch bei zulässiger Delegation muss einem beauftragten Offizier der vollständige Tenor der Disziplinarverfügung samt Art und Höhe der Maßnahme zur Anhörung mitgeteilt werden. Dem steht entgegen, wenn er zugleich noch mit Sachverhaltsermittlungen beauftragt wird.
5. Gegenstand der Erörterung (§ 21 S. 3 SBG) sind die Ermessenserwägungen des zuständigen Disziplinarvorgesetzten, nicht persönliche Einschätzungen des beauftragten Offiziers. Fehlt es daran, ist die Anhörung fehlerhaft. Das gilt auch dann, wenn ein Formularfeld angekreuzt wird, das unzutreffend angibt, es habe eine Erörterung stattgefunden.
Quelle: Beschluss des TDG Süd vom 28.11.2018 – S 4 SL 1/18 (nicht rechtskräftig)
(mitgeteilt von RA Dr. Andreas Gronimus)